Der Schriftsteller Lukas Rietzschel war am 1. Dezember 2023 zu Gast in der Aula des Wilhelm-Gymnasium.

Am Anfang: auf dem Findling vor der Grundschule ein Hakenkreuz. Ein Handtuch drüber, der Direktor mit dem Rücken dagegen gelehnt, damit nichts herunterrutscht – hilflose Versuche das zu verdecken, was nicht zu verdecken ist. Am Ende: Die leere Grundschule soll Flüchtlingsunterkunft werden. Nicht genug Kinder mehr im Ort. Tobi und Menzel und die anderen wollen sie fluten, damit niemand mehr da wohnen kann, wo sie groß geworden sind. „Das System abschaffen“, sagen sie, „den ganzen Scheiß“. Aber Tobi will mehr. Die Schule soll brennen. Hass gegen Fremde, aber auch Wut, Enttäuschung darüber, dass sich Philipp, der Bruder, nicht bei Tobi meldet, um ihn abzuhalten. Wut auf das eigene Scheiß-Leben. Unfähigkeit, miteinander zu reden. Das unerfüllte Bedürfnis nach Anerkennung und Nähe.

Lukas Rietzschel las vor Schülerinnen und Schülern des 13. Jahrgangs aus seinem Romanerstling „Mit der Faust in die Welt schlagen“ (2018) und antwortete danach auf Fragen der Moderatoren Hans Philipp Felderhoff und Lara Ordowski. Vorbereitet wurde die Veranstaltung von Schülerinnen und Schülern des Kurses DE1 aus Jg. 13. Mit dabei auch Berenike Loch, Leonard Ramme und Jan-Marten Kleine-Besten, der die An- und Abmoderation übernahm.

Leicht amüsiert antwortete Rietzschel auf die ersten Fragen nach seinen Themen, seinem Schreibstil, das klinge heftig nach Deutsch-Unterricht: „Ich schreibe so, weil ich nicht anders kann. Ich sitze nicht da und überlege, welche Metaphern nimmst du jetzt.“ Wichtiger sei der Inhalt. Seine ernüchternde Antwort auf die Frage, ob er Spaß am Fach Deutsch gehabt habe: „Das war ganz schlimm, ehrlich gesagt. Das hatte nichts mit mir zu tun.“ Er und seine Freunde hätten die von der Schule gestellten Lesehefte auf dem Schulhof verbrannt oder versucht, sie „im Klo runterzuspülen“. „Zeitgenössische Literatur“ sei ihm wichtig, „der Austausch mit lebenden Menschen“. Er muss aber zugeben, dass sein Initialerlebnis mit Literatur, ausgelöst durch „krassen Liebeskummer“ mit 16, ein Romanstoff aus dem 19. Jahrhundert gewesen sei.

Dass er Romane schreibe, sei „so nie geplant“ gewesen, sagt Rietzschel, und einfach sei es auch nicht als „Ein-Mann-Unternehmen“, das setze einen schon stark unter Druck, ökonomisch und emotional, „immer abhängig davon zu sein, etwas zu liefern“. Ein ausdrückliches politisches Anliegen hätten seine Romane aber nicht. „Das wäre Aktivismus, keine Kunst. Ich will etwas über mich und meine Leute herausfinden.“

Studiert hat Rietzschel in Kassel, Germanistik und Politikwissenschaften, „in dieser komischen Stadt, wo man ohne Abitur studieren konnte“, aufgewachsen ist er in der Oberlausitz. Kassels Architektur habe ihn „einigermaßen schockiert“. Gefühlt habe er sich im Vergleich mit seinen Kommilitonen „wie ein Alien“: dass es Leute gab, „die mit 18 ein Auto bekommen“, „dass die nicht wussten, dass wir auch Strom und Wasser drüben haben“. Wie es denn „bei euch zuginge“, wollte man von ihm wissen, AfD und so. Rietzschel wusste selbst keine Antwort und begann, Fragen zu stellen.

Die Unterschiede bei den Vermögen seien ein Riesenproblem. „Wo ich lebe, gehört mehr als 70 % der Wohnungen nicht den Menschen, die dort leben.“ Auch ein Teil des Problems: dass mehr als drei Millionen in den Westen gegangen und „nicht mehr wiedergekommen sind“. Es fehle die „mittlere Generation“. Es gebe kaum institutionelle Bindung in Parteien und Gewerkschaften. Keine großen Stiftungen im Osten. Sachsen sei das Bundesland mit der geringsten Ehrenamtsquote. Außerdem habe die Politik keine überzeugende Antwort auf die Überalterung der Gesellschaft.

Und der Rechtsradikalismus?, fragten die Moderatoren, wie man den erklären könne. Ein Ansatz, so Rietzschel, sei die „sogenannte Männlichkeit, wenn sie kein Kontra erfährt, sich in abstruse Sachen reinsteigert“. Teil einer Gruppe sein zu wollen (was nicht nur für Neonazis gelte), hebe die Anerkennung. Hinzu kämen heute Filterblasen und künstliche Intelligenz. Man könne, in welcher Richtung auch immer, „ohne jede Gegenmeinung“ bleiben. So könne sich „ein Weltbild schließen“.

In der Politik falle ihm auf, dass es oft nur um das Wirtschaftliche gehe, aber entscheidend sei doch das Emotionale. Manche hätten das Gefühl, „hängengelassen worden zu sein die letzten 30 Jahre“. Und manchmal seien es auch Details, an denen die Menschen glauben zu spüren, dass sie abgehängt sind: Die Bahnstrecke von Görlitz nach Berlin sei noch immer eingleisig. Die zweite Spur hätten damals die Russen mitgenommen.

Was tun? Rietzschel plädiert in seiner Antwort auf eine Publikumsfrage für mehr Engagement in der Zivilgesellschaft, denn, so sein Ansatz in einem Essay für die FAZ: „Warum engagiert sich kaum jemand, aber warum ist der Wunsch nach Partizipation so ausgeprägt?“ Die Gesellschaft sei nicht gespalten, aber zergliedert. Man könne in seiner Blase bleiben, ohne mit anderen zu tun zu haben. Ein Vorschlag von ihm, um das zu ändern: Pflichtmitwirkung per Losverfahren auf kommunaler Ebene, damit die Leute erleben, was es heißt, sich für die Umgebung, in der sie leben, stark zu machen, und da seien sie doch Experten. Mancher müsse eben erstmal angestoßen werden.

Das sei auch ein Grund, warum er wieder im Osten lebe. „Meine Heimat“, sagt er, klar, und es sei auch „der Reiz, dass da so wenig Menschen sind und nicht alles so glatt und zubetoniert ist“ – aber: „Nach Berlin und Leipzig braucht man nicht zu gehen.“ Dort, wo es nötig sei, wolle er „anpacken und nicht nur konsumieren“. Außerdem sei Görlitz wunderschön, die Altstadt komplett erhalten, „Deutschlands größtes Flächendenkmal“.

Nach intensiven, informativen 90 Minuten gab es reichlich Beifall, und im Gespräch danach ließ Rietzschel wissen, dass er in der Verfilmung der „Faust“, die nächstes Jahr im Herbst in die Kinos komme, auch eine kleine Rolle spiele – einen Lehrer.

Dr. Alexander Huber

Unser Dank gilt der Braunschweigischen Landessparkasse und dem Förderverein des Wilhelm-Gymnasiums für die Finanzierung der Veranstaltung.

im Rahmen der 43. Braunschweiger Jugendbuchwoche

In diesen Jahr waren Will Gmehling und Christian Linker zu Gast am Wilhelm-Gymnasium und haben für verschiedene Klassenstufen aus ihren Jugendbüchern vorgelesen.

Ermöglicht wurde dies vom Förderverein, dem wir an dieser Stelle noch einmal herzlich danken!

Am Montag begann Will Gmehling. Er las aus dem dritten Band seiner Trilogie um die Familie Bukowski: „Das Elser-Eck“. Hierin verarbeitete der Autor die ihm wichtige historische Figur Georg Elser. Die 7a und die 7b lauschten sehr aufmerksam und stellten Will Gmehling ein Menge Fragen.

Am Freitag besuchte uns Christian Linker. Er deckte eine sehr weite Spannbreite ab, denn zuerst las er in dem Deutschkurs des Jahrgangs 13 von Frau Sommer, anschließend für die 5c und die 5e und zum Schluss für die 6a und die 7c.

Die Abiturient:innen durften eines von drei kurz vorgestellten Büchern des Autors auswählen. Sie entschieden sich für „Der Schuss“, einen Roman für junge Erwachsene aus dem Jahr 2017, der einen politischen Hintergrund hat. Die Lesung war packend und die Schüler:innen, die mittlerweile schon richtige Literaturprofis geworden sind, kamen in ein interessantes Gespräch mit Chistian Linker. Für die 5. Klassen wurde „Boy from Mars – Auf der Jagd nach der Wahrheit“, welches ganz aktuell in diesem Jahr erschienen ist, gelesen. In der letzten Leserunde durften die Schüler:innen wieder auswählen, was sie hören möchten. Insgesamt war es ein rundum gelungener Lesevormittag, der passender Weise am bundesweiten Vorlesetag stattgefunden hat. Wir hoffen, dass er allen Schüler:innen Lust aufs Lesen und vielleicht auch aufs Schreiben gemacht hat, denn für unseren Zipfelmützen-Literaturwettbewerb können noch bis zum 18. Dezember Texte eingereicht werden.

Katja Tscherwen, Fachgruppe Deutsch

… für alle, die gern ins Theater gehen, klassische Stücke und neue Inszenierungen sehen möchten.

Das Abo umfasst vier Vorstellungsbesuche im Staatstheater Braunschweig in der Spielzeit 2023/2024.

Kosten für das gesamte Abo: 28 €

Anmeldung ab sofort bis zum 12. September 2023 unter:

Weitere Informationen gibt es hier: Infobrief.

Katja Tscherwen

Wer die Nachrichten der letzten Wochen und Monate verfolgt hat, stellt fest, dass in unserer Gesellschaft Themen wie z.B. Waffenlieferungen und Cannabis Legalisierung aktuell viel diskutiert werden. Wir haben alle bereits Debatten zu diesen Themen in Fernsehsendungen gesehen oder selbst in unserem Familien- und Freundeskreis geführt. Der jährlich stattfindende Wettbewerb „Jugend debattiert“ soll diese Debatten ins Klassenzimmer holen.

Bevor wir uns mit den Kandidaten benachbarter Schulen austauschen konnten, bedurfte es einiger Vorbereitungen. An einem Freitagnachmittag vor einigen Wochen trafen sich vier Schüler aus den Jahrgangsstufen 10 bis 12 unserer Schule mit dem Organisator Herrn Wichner und wir erhielten eine erste Vorstellung über den Wettbewerb. Es wurde in einigen Debatten zur Probe über scheinbar belanglose Themen wie: „Sollte es nur noch einfarbige Gummibärchen geben?“, aber auch über strittige Fragen wie: „Sollte die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen abgeschafft werden?“ hitzig debattiert.

Es zeigte sich, dass es bei dem Wettbewerb „Jugend debattiert“ nicht nur auf Fachwissen und stichhaltige Argumente, sondern auch auf die Strukturierung der eigenen Aspekte ankommt.

Vor der eigentlichen Debatte wird sich in eine Pro- und eine Contra Seite per Los aufgeteilt. Die Debattanten der jeweils gleichen Seite sprechen sich untereinander über eine einheitliche Struktur ab. Dies ist besonders wichtig, denn bevor sich in der großen Gruppe gegenseitig ausgetauscht werden kann, fasst jeder Teilnehmer seine Sichtweise in einem Anfangsplädoyer in zwei Minuten zusammen.

Die Glocke erklingt und die Jury bittet in den offenen Austausch zu gehen. Nun wird die Debatte lebendig und die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich. Schließlich fasst jeder Debattant seine Erkenntnisse und wesentlichen Schwerpunkte am Ende der Debatte kurz zusammen.

Gespannt auf die Debatten betraten wir am Dienstagmorgen, den 26.01.2023 den Vorraum der Großen Schule in Wolfenbüttel. Alle Debattanten aus der Region Braunschweig-Wolfenbüttel-Salzgitter sammelten sich zunächst in der kleinen Aula des Gymnasiums. Auf der Bühne waren bereits Tische und Stühle für die späteren Final Debatten vor großem Publikum vorbereitet. Die Anspannung bei den Debattanten unserer Schule: Frieda Lässig, Anas Al Natsheh und Petros Tatsis stieg, als es in den Vorbereitungsraum für die ersten Debatten ging.

Die Glocke erklingt, die Debatte beginnt.

Die Schüler der Sekundarstufe I und II debattierten jeweils getrennt mit unterschiedlichen Fragen. Eine Jury aus Lehrern und Schülern bepunktete alle Teilnehmer und gab anschließend ein kurzes Feedback mit Stärken und Verbesserungsvorschlägen. Nach der ersten Runde folgte nach einer kleinen Pause die zweite Debatte im kleinen Rahmen. Die Sekundarstufe I debattierte zu den Themen Schülerzeitungen an weiterführenden Schulen und öffentlich verfügbares Obst und Gemüse auf städtischen Grünanlagen.

Jan-Marten Kleine-Besten (Jg. 12)

Georg Büchners „Woyzeck“ ist in Niedersachsen Pflichtlektüre für das Abitur 2024. Der Kurs De1 hat sich die Inszenierung von Lilja Rupprecht, Erstaufführung am 17. April 2021, im Schauspielhaus Hannover angesehen. Eine Kritik in Schlaglichtern.

Die Bewegungen der einzelnen Protagonisten (das Zucken, das krampfhafte Bewegen des Hauptmanns) zeigten ihren Geisteszustand und ihren eigenen Wahnsinn. (Djamila)

Die Verbindung vom Text des Marktschreiers mit einer direkten Ansprache Woyzecks hat noch einmal deutlicher die Problematik von Woyzecks Stellung in der Gesellschaft wiedergegeben. (Judith)

Woyzeck wurde sehr wahnsinnig dargestellt (bspw. durch sein Geschrei gegenüber anderen Figuren über Kleinigkeiten). (Sedef)

Der Schauspieler hat die Rolle des Hauptmanns gut verdeutlicht. (Greta)

Woyzeck wird meistens in tiefsten Wahnphasen dargestellt, der Facettenreichtum seines Charakters aus Liebe zu Marie, aus Sorge um seinen Sohn und sein finanzielles Verantwortungsbewusstsein für seine Familie wurden für mich nicht immer deutlich genug herausgestellt. (Jan-Marten)

Die immer intensiveren, grellen und flackerndern Farben zum Ende des Stückes stellten sehr gut den immer instabileren Zustand von Woyzeck dar. (Leonard)

Der Doktor war noch verrückter, als ich dachte (wälzt sich auf dem Boden und tanzt eigenartig). (Tom)

Das Bühnenbild wurde mit interessanten Elementen gestaltet. Vor allem die Drehbühne war ein besonderes Element, da die Schauspieler gegen die Drehrichtung liefen. (Berenike)

Durch die Filmprojektion der Großmutter, die das Märchen erzählte, wurden die Gedanken Woyzecks und der zunehmende Wahnsinn deutlich. (Carlotta)

Die Emotionen aller Charaktere wurden gut dargestellt. (Lina)

Die zusätzliche Unterstützung durch die Kamera und die filmischen Ausschnitte haben das Stück überzeugend modernisiert, zum Beispiel die Live-Übertragung der das Märchen erzählenden Großmutter, welche auf das Bühnenbild projiziert wurde. (Rune)

Die Interpretation des Doktors und des Hauptmanns waren sehr interessant, gerade da beide als beinahe wahnsinnig dargestellt wurden (bspw. durch das Zucken des Hauptmanns beim Reden). (Hans Philipp)

Anschaulich und gut nachvollziehbar war der innere Konflikt Woyzecks, dargestellt durch flackernde Lichter und laute, mehrfach wiederholte Ausrufe (z. B. sein Rang im Militär), welche im Laufe der Aufführung zunahmen. (Robin)

Im Grunde sind alle irre in dieser Inszenierung, die Menschen laufen, schreien, zucken verzweifelt in den letzten Zügen auf dem Rad der Welt, während ihr Gehirn im Stroboskoplicht zerfällt. Gut besetztes, gut gemachtes modernes Theater! (Hbr)

Besetzung
Woyzeck: Sebastian Nakajew / Marie & Andres: Amelle Schwerk / Arzt: Alban Mondschein / Hauptmann: Sebastian Jakob Doppelbauer / Großmutter: Sabine Orléans

Fotos: Kerstin Schomburg, Staatstheater Hannover

Die Antwort auf diese Frage ist für den diesjährigen Deutsch-Vorlesewettbewerb der 6. Klassen gefunden. Es ist Aurelia Herrmann aus der 6d!

Am Nikolaustag haben sich die vier Klassensiegerinnen Emma Stiepel, Ella Zwafelink, Vera Göbbel und Aurelia Herrmann ganz souverän der Herausforderung gestellt, vor großem Publikum in der Aula des Haupthauses zu lesen, was in den letzten beiden Jahren aufgrund der Pandemiebeschränkungen nicht möglich war.
Es wurde wieder aus recht unterschiedlichen Büchern vorgelesen und die Jury, bestehend aus Frau Gruffke und Frau Schneider-Diehl aus der Elternvertretung, Milla Hilbig und Vincent Fricke aus dem 13. Jahrgang sowie Hagen Schmidt und Sophia Letsche, den Vorjahressiegern, hatte es mit der Entscheidung nicht leicht. Alle waren gut vorbereitet und haben toll gelesen. Geschafft haben es dann Aurelia auf den ersten und Ella auf den zweiten Platz. Herzlichen Glückwunsch!

Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhielten Urkunden, Nikoläuse und die vier Klassensiegerinnen zudem noch Bücher-Gutscheine, die freundlicherweise vom Förderverein des Wilhelm-Gymnasiums gespendet wurden. Vielen Dank hierfür!

Aurelia wird unsere Schule nun im Frühjahr beim Regionalentscheid der Stadt Braunschweig vertreten. Viel Glück und Erfolg wünschen wir schon jetzt!

Katja Tscherwen
Fachgruppe Deutsch

 

24. November 2022, 19.30 Uhr, Kleines Haus
Der ideale Mann Komödie von Oscar Wilde

15. März 2023, 19.30 Uhr, Großes Haus
Der Schimmelreiter Schauspiel nach Theodor Storm

10. Mai 2023, 19.30 Uhr, Kleines Haus
Stolz und Vorurteil* (*oder so) Komödie von Isobel McArthur

 

Der ideale Mann

Komödie von Oscar Wilde in der deutschen Fassung von Elfriede Jelinek
nach einer Übersetzung von Karin Rausch

Elfriede Jelinek spitzt Oscar Wildes Polit-Komödie um Insidergeschäfte und Doppelmoral sprachlich wie inhaltlich so zu, dass hinter der gehobenen
viktorianischen Gesellschaft unsere unmittelbare Gegenwart sichtbar wird, die nicht weniger

 

Schimmelreiter

Nach der Novelle von Theodor Storm für die Bühne bearbeitet von Felicitas Brucker

Der Aufstieg Hauke Heiens zum Deichgrafen ist keine einfache Erfolgsgeschichte. Misstrauen löst dessen Interesse an Mathematik und Naturwissenschaft aus, der Forscherdrang, die manische Suche nach der besten Deichkonstruktion. Der Deich markiert die Grenze zwischen der Gewalt des Meeres und dem bewirtschafteten Land des Dorfes. Tiefer, verschwurbelter Aberglaube bestimmt die Dörfler, die lieber einen lebendigen Hund begraben als der planerischen Klarheit des Deichgrafen folgen. Sei die Bedrohung durch eine Sturmflut auch noch so groß. Dieser Deichgraf ist kein einfacher Charakter.

Theodor Storm findet in seiner Novelle von 1888 große, fantastische Bilder für das Aufeinanderprallen von Natur und Fortschritt, für die unheimliche Macht einer Gesellschaft, die aus Angst vor Erneuerung die Naturkatastrophe geschehen lässt

 

Stolz und Vorurteil* (*oder so)

Komödie von Isobel McArthur
nach Jane Austen

Partytime um 1800. Mrs. Bennet hat fünf Töchter. Leider alle unverheiratet. Denn dank der von weisen (alten weißen) Männern vor Zeiten erdachten
Erbschaftsregeln muss eine Frau sich schleunigst einen standesgemäßen Junggesellen angeln, um die Existenz der Familie zu sichern. Aber zum Glück istn es – das wissen nicht nur Jane Austen-Fans – auch »eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, dringend einer Frau bedarf.« Deshalb: Bühne frei für den so wohlhabenden wie charmanten Mr. Bingley und: »Mögen die Tanztees beginnen!« Dass die Bennet-Töchter trotzdem nicht ganz störungsfrei in den seriell angesteuerten Hafen der Ehe segeln, ist klar. Schließlich gibt es intrigante Nebenbuhlerinnen, nervenaufreibende Mitgiftjäger und nicht zuletzt den rätselhaften Mr. Darcy.

Isobel McArthurs so respektlose wie überdrehte Austen-Theater-Karaoke-Show für ein rein weibliches Ensemble verpasst der Königin der subtilen Ironie ein poppig-feministisches Update. Aus der Sicht von fünf Dienstmädchen erzählt, die endlich mal mehr tun dürfen, als unauffällig Tee zu servieren, bekommt die berühmte Geschichte um »Stolz und Vorurteil« sogar noch einen klassenkämpferischen Twist. Aber am Ende gewinnt die Liebe. Natürlich. Wie immer.

Katja Tscherwen