Ein Vortrag von Prof. Niklas Holzberg

Wie äußert sich Fremdenfeindlichkeit in Vergils Äneis? Werden alle Frauen bei Vergil negativ dargestellt? Wieso wird der Krieg so verherrlicht?

Fragen wie diese lassen sich leider sehr gut auch in unserer heutigen Zeit stellen. Dass Fremde durch ihre Kleidung, ihren Style und insgesamt durch ihr effeminiertes Erscheinungsbild beleidigt werden, war schon damals üblich. Dass Frauen als Ursache von Konflikten gesehen werden, ist ebenso typisch für die Antike – man denke an Helena, aber eben auch an Vergils Dido. Dass Kriege gottgewollt seien, ist leider auch nicht nur antik.

Mit all diesen Fragen und vor allem den Lösungen dieser Probleme in unserer Gesellschaft werden sich auch unsere Lateinoberstufenschüler:innen in Zukunft beschäftigen müssen. Prof. Niklas Holzberg hat nach 2018 (Ovid: roma-amor) erneut unsere Aula (für altphilologische Verhältnisse) zum Beben und eben zum Nachdenken gebracht. Während Vergil mit den römischen Feinden in deren Rede zu spielen vermag, sie römische Tugenden vertreten und verherrlichen lässt, um sie im nächsten Satz als Barbaren zu diffamieren, mussten seinerzeit junge Römer für die Elite an der Front ihr Leben lassen. Die Männlichkeit des Krieges stellt Vergil positiv auch durch „schöne“ Rüstungen und Waffen dar.

Ob nun der freiwillige Wehrdienst oder die Wehrpflicht in den nächsten Jahren eingeführt wird, ob und wie lange die Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten andauern, wird diskutiert werden müssen. Für Vergil ist im antiken Rom der Krieg eine Normalität, die zur Bestätigung des Kaisers Augustus und seiner Politik auch im Gründungsmythos viel Raum einnimmt. Höchst feinsinnig spielt Vergil kraft der Intertextualität mit dem Leser, wie Niklas Holzberg auf höchstem sprachlichen Niveau und sehr lebhaft ausführt. Jedes seiner Beispiele ist mit kleinen Gedankenspielen garniert, die das gebannte Publikum auf aktuelle politische Lagen aufmerksam macht oder auf sprachliche Reisen in den angloamerikanischen Raum führt. Die sprachlichen Analysen begeistern den Referenten selbst immer noch so sehr, dass der Funke sofort überspringt und für die Zeit nach dem Vortrag einige interessierte Nachfragen hervorbringt.

Am Ende war es zwar kein Vortrag zu seinem „geilen Catull-Buch“ (Zitat einer Schülerin aus Hannover), sondern zum staatsmännischen Vergil, dessen Epos aber bis heute Schüler:innen der Oberstufe in Niedersachsen in seinen Bann zieht. Das Spiel mit dem Publikum beherrscht der gern gesehene Niklas Holzberg wie kein anderer.

Dank der Maximilian-Garzmann-Stiftung konnten einmal mehr viele künftige Lateinabiturient:innen tief in die Analyse eines antiken Textes eintauchen.

Fachgruppe Alte Sprachen