Braunschweigische Anzeigen, den 3. December 1884

Das neue Herzogliche Gymnasium an der verlängerten Leonhardstraße ist im Rohbau vollendet und zeitig vor dem nunmehr eingetretenen Winter unter Dach gebracht. Mit den Erdarbeiten für diesen umfangreichen Bau wurde im Monat Juni 1883 begonnen, mithin hat die Förderung desselben, bis zur Fertigstellung des Rohbaues, nur eine verhältnißmäßig kurze Zeit in Anspruch genommen. Angekauft wurde für den Bau ein Terrain von ca. 8950 Quadratmeter, von welchen 1514 Quadratmeter demnächst zur Straßenanlage an die Stadt abgetreten werden; für den Ankauf dieses Terrains sind von der vom Landtage verwilligten Bausumme (560 000 M.) 160 000 M. verausgabt. Das mit seiner imposanten Vorderfronte an der Leonhardstraße stehende Gymnasium wird von drei, 4 Meter breiten Mittelcorridoren durchschnitten, in welche zwei Treppenhäuser einmünden; dasselbe enthält 17 Klassenzimmer, von denen eins noch in Reserve bleibt, ferner eine für die Wintermonate bestimmte große Eingangshalle im Mittelgeschoß und eine Aula im oberen Geschoß. An diese Haupträume schließen sich der Zeichensaal, der Physiksaal, die Bibliothek, das Zimmer des Directors, das Lehrer- und Conferenzzimmer u. s. w. Sämmtliche Klassenzimmer sind nach Süden, alle letztgenannten Räume dagegen nach Norden gelegen. In den Unterrichtszimmern werden Mantelöfen nach Kaiserslauternschem System mit Außenheizung aufgestellt, alle übrigen Räume werden mit Luftheizung versehen. Das Hauptportal liegt an der der verlängerten Leonhardstraße zugekehrten Nordseite des Gebäudes, der gewöhnliche Eingang aber wird vom Hofe ab durch das südliche Portal genommen werden. Die Wohnung für den zukünftigen Director, ein wie das Gymnasium im Backsteinbau aufgeführtes Haus mit zwei Geschossen und hohem Souterrain, steht an der Adolfstraße und daneben die 24 Meter lange und 12 Meter breite Turnhalle. Der als Spielplatz dienende Hofraum hat einen Flächeninhalt von 3200 Quadratmeter und wird mit einem schmiedeeisernen Gitter eingefriedigt werden. Die verlängerte Leonhardstraße soll bekanntlich demnächst durch eine massive Brücke mit der Promenade verbunden werden, und wird auf diese Weise der auf dem ehemaligen Glacis entstandene neue Stadttheil mit dem Magnithore eine directe Verbindung erhalten. Bemerken wollen wir noch, daß das neue Gymnasium am 1. October nächsten Jahres eröffnet werden soll.

Braunschweigische Anzeigen, den 27. October 1885

Die Einweihung des neuen Herzoglichen Gymnasiums an der Leonhardstraße hat heute Morgen 10 Uhr in feierlicher Weise stattgefunden. Versammelt hatten sich zu dieser Feier von den Mitgliedern des Hohen Regentschaftsraths die Herren Wirkl. Geheimerath Dr. jur. Wirk, Wirkl. Geheimerath Otto und Oberlandesgerichts-Präsident Dr. jur. Schmid, ferner die Herren Hofmarschall Oberst von Bernewitz, Cammerpräsident Griepenkerl, Kreisdirector Culemann, Oberbürgermeister Pockels, Bürgermeister Rittmeyer, Abt D. Thiele, General- und Stadtsuperintendent D. Beste und die sämmtlichen Prediger der Stadt, sowie die Directoren des Herzoglichen Polytechnikums, der hiesigen Gymnasien und Schulen, die Lehrer der Herzoglichen Gymnasien, die Architekten und Werkmeister, welche bei dem Bau mitgewirkt haben. Bald nach 10 Uhr begab sich die gesammte Festversammlung, geführt von Herrn Schulrath Dr. Eberhard, von der Turnhalle, resp. von der Directorwohnung aus nach dem Hauptgebäude, vor dessen südlichem Portale Herr Baurath Wiehe dem Herrn Geheimerath Dr. jur. Wirk mit einer Ansprache den Schlüssel überreichte. Mit den Worten: „So öffnet euch denn, ihr Pforten, laßt einziehen Fleiß, Wissenschaft, Kunst, Gottesfurcht und Ehrbarkeit” nahm sodann Herr Schulrath Dr. Eberhard den Schlüssel in Empfang und die Versammelten betraten das neue Gebäude. In der prächtigen Aula, an deren Hauptwand die Büste Sr. Hoheit des Hochseligen Herzogs vor einer geschmackvollen Draperie in den Landesfarben, umgeben von Lorbeerbäumen, aufgestellt war, hatten sich bereits die Schüler der drei oberen Klassen des Gymnasiums versammelt. Nachdem Alle ihre Plätze eingenommen, wurde die Feier mit dem gemeinschaftlich gesungenen Choral „Bis hierher hat uns Gott gebracht” (V. 1 und 2) eröffnet, worauf Herr Pastor D. Skerl nach einem Gebet die Weihe des neuen Hauses vollzog und der Gesang des dritten Verses des genannten Chorals „Hilf ferner weit, Du starker Hort!” angestimmt wurde. Hierauf überwies Herr Geheimerath Dr. jur. Wirk im Auftrage der Herzoglichen Landesregierung das Gebäude Herrn Director Schulrath Dr. Eberhard und gab sodann einen Rückblick auf die Entstehung des neuen Gymnasiums. Derselbe führte aus, wie das fortgesetzte Anwachsen der Schülerzahl bereits im Jahre 1879 auf die Nothwendigkeit der Errichtung eines zweiten humanistischen Gymnasiums unabweislich hingedrängt und die Errichtung von vier Parallelklassen im alten Polytechnikum sich als eine unhaltbare provisorische Maßnahme erwiesen habe. Es sei also die Noth gewesen, durch welche der Beginn des Baues im Jahre 1883 herbeigeführt sei. Die Liebe für Wissenschaft und Kunst aber habe der Noth das Werk aus der Hand genommen und so stehe jetzt das Haus vollendet da, würdig geschmückt zu dem Zwecke, zu welchem es soeben geweiht worden sei. Mit Dank gegen die Herzogliche Landesregierung, mit Dank gegen die Herzogliche Baudirection und den Herrn Baurath Wiehe, dessen künstlerischer Geist in allen diesen Räumen gewaltet habe, mit Dank auch gegen alle Werkmeister, welche bei der Ausführung geholfen, solle nun das Gebäude, dessen man sich auch wegen der Jugend freuen könne, welche in demselben hohen Zielen entgegengeführt werde, damit dem Director übergeben sein. – Hierauf folgte eine Ansprache des Herrn Schulraths Dr. Eberhard, in welcher derselbe zunächst an das Abscheiden Sr. Hoheit des hochseligen Herzogs erinnerte, unter dessen segensreicher Regierung auch dieses neue Gebäude noch begonnen und dessen Namenszug über dem Hauptportale angebracht sei. Unter Zugrundelegung der Worte „Wo nicht der Herr das Haus baut, da arbeiten, die daran bauen, umsonst” wies Redner sodann auf die Zwecke und Ziele und den innern geistigen Ausbau des Gymnasiums hin, dessen Grundstein Jesus Christus bilde und bei welchem Lehrer und Schüler gemeinsam als geistige Bauleute wirken müßten. Mit dem Wunsche, daß das neue Gymnasium eine Pflegeanstalt für Wissenschaft und Kunst, für Gottesfurcht, Ehrbarkeit und Vaterlandsliebe werden möchte, schloß Redner seine Ansprache. Den Schluß der Feier bildete der gemeinschaftliche Gesang des Chorals „Nun danket alle Gott”, worauf unter Führung der Herren Schulrath Dr. Eberhard und Baurath Wiehe eine Besichtigung der Räume des neuen Gebäudes erfolgte.